Mittwoch, 1. Juli 2009

Das bessere Deutschland

Haben Sie als Kind eigentlich auch so gern die Filme von Pippi Langstrumpf gesehen? Sie wissen schon, dieses kleine Mädchen, welches in der Villa Kunterbunt tun und lassen konnte, was es wollte und das nichts mehr fürchtete, als irgendwann erwachsen zu werden. Pippi war so unbeschwert und leicht, besonders dann, wenn sie wieder mal ihr Lied trällerte, in welchem es unter anderem hieß: "Ich mach' mir die Welt, Widdewidde wie sie mir gefällt".

Da die Pippi-Langstrumpf-Filme sehr beliebt waren und sind, werden sie oft und gern wiederholt. Nach dem Mauerfall müssen sie beim MDR jedenfalls in einer Endlosschleife jahrelang non-stop rauf und runter gelaufen sein, denn anders kann man nicht erklären, warum sich so viele Menschen in Ostdeutschland plötzlich die Welt - und insbesondere die Welt ihrer eigenen Vergangenheit - auch einfach so machen, wie sie ihnen gefällt.

Eindrucksvoller Beweis ist dieser Artikel bei Spiegel-Online, in dem es zum einen um das Wissen der jungen Generation in Bezug auf die DDR geht und um das Bild, welches ehemalige Bürger der DDR heute von ihr haben. Wenig überraschend dabei: Die jüngere Generation hat - die Pisa-Studie lässt grüssen! - noch weniger Ahnung von Geschichte als jemals zuvor. Wer gedacht hat, dass das mit der ersten Pisa-Studie seinerzeit zutage getretene kollektive Nicht-Wissen nicht noch gesteigert werden könne, der möge sich folgendes Zitat aus dem Spiegel-Artikel mal auf der Zunge zergehen lassen: "Etliche der 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen gaben an, dass Willy Brandt und Konrad Adenauer DDR-Politiker waren. Dass es unter Erich Honecker demokratische Wahlen gab. Die Stasi war ein Geheimdienst, wie ihn jeder Staat hat. Die Mehrheit aller Schüler wusste nicht, wer die Mauer gebaut hat - viele tippten auf die Bundesrepublik oder die Alliierten."

Ist das nicht fantastisch? Allein die Vorstellung, dass Adenauer 1955 zu einem kleinen Trip unter kommunistischen Brüdern nach Moskau aufbricht, um in Chruschtschows Datscha einem der legendären Saufgelage beizuwohnen, statt als deutscher Kanzler in schwieriger Mission in die Sowjetunion zu reisen, um die letzten 10.000 Kriegsgefangenen endlich nach Hause zu holen, mutet grotesk und unfreiwillig komisch an. Mit Abstand am Besten ist aber der Glaube, dass die Stasi ein Geheimdienst war, wie jeder andere auch. Diese Aussage kann man nun dahingehend deuten, dass etwa die Stasi, Ceauşescus Securitate und der berüchtigte Sigurimi-Geheimdienst von Enver Hoxha auf der einen, und BND, CIA und der Mossad auf der anderen Seite, sich nichts tun. Kann man ja leicht nachprüfen. Wer hat nicht irgendwo Verwandte und Bekannte, die bei einer Befragung durch den Bundesnachrichtendienst nicht schon windelweich geprügelt worden sind, sofern sie überhaupt wieder auftauchten?

Die andere Deutung ist hingegen viel interessanter: Nicht die Geheimdienste der westlichen Demokratien sind und waren genauso schlimm wie Stasi und Konsorten, sondern die Stasi war ihrerseits auch eingebettet in demokratische Grundordnungen und Gesetze, so wie eben der BND auch - Zensur und Überwachung fanden somit natürlich nicht völlig willkürlich statt.

Und mit diesem Tenor kann man wunderbar zur älteren Generation überleiten, die im besagten Spiegel-Artikel ihrer Empörung Ausdruck verleiht:

Die Älteren nämlich, also diejenigen, die den realen Sozialismus auf deutschem Boden noch hautnah miterleben durften, sie haben nach knapp 20 Jahren Mauerfall augenscheinlich die Nase von der seinerzeit erlangten Freiheit gestrichen voll, weil sie offensichtlich erkennen mussten, dass jenseits der Mauer nicht das sagenumwobene Schlaraffenland lag, in dem Milch und Honig fliessen, und welches nur darauf gewartet hatte, Millionen von DDR-Bürgern eine Rundumversorgung angedeihen zu lassen; ohne lästige Verantwortung des Individuums für das eigene Leben, sondern von der Wiege bis zur Bahre geplant und gestaltet vom Staat. Sozusagen eine DDR 2.0, nur diesmal mit Bananen, Urlaub am Ballermann und Autos, die diesen Namen verdienen - aber wie gehabt bitte mit möglichst wenig Eigenverantwortung!

So zitiert der Spiegel aus einigen Zuschriften, die der Interviewpartner im Artikel erhalten hatte: "Aus heutiger Sicht glaube ich, wurden wir mit dem Mauerfall aus dem Paradies vertrieben, ... Das heutige Deutschland wird als 'Sklavenstaat' oder 'Diktatur des Kapitals' bezeichnet, einige Briefeschreiber lehnen die Bundesrepublik ab, weil sie kapitalistisch oder diktatorisch, jedenfalls nicht demokratisch sei." - Zitat Ende.

Da sieht man mal, was 20 Jahre Abstand aus der Wahrnehmung mancher Menschen machen können! Man muss schon unter akuter geistiger Inkontinenz leiden, wenn man die DDR nachträglich, und im Vergleich mit der Bundesrepublik, als das "Paradies auf Erden" anpreist. Die "Argumente" der DDR-Nostalgiker sind ja auch sattsam bekannt: Es gab Arbeit für alle, Krippenplätze für alle, ein besseres Schulsystem für alle, und es gab Bautzener Senf - die dazugehörige Brühwurst hat bei meinem ersten Besuch in der DDR 1988 auch nur 40 Pfennig gekostet, das war wirklich sensationell! Als kostenlose Dreingabe gab es zudem bis 1987 die Todesstrafe; unzählige Mauertote; einen gigantischen Spitzel- und Überwachungsapparat; eine sich demokratisch schimpfende Einheitspartei, die alle anstehenden und zukünftigen Wahlen bereits im Vorfeld mit überwältigender Mehrheit gewonnen hatte und eine dilettantische Planwirtschaft, die die Staatsverschuldung ins Unermessliche steigerte und in der man ein lächerliches Plastikauto fünfzehn Jahre im Voraus vorbestellen musste.

Es ist nur in einem einzigen Punkt bedauerlich, dass die DDR nicht mehr existiert: Sie kann sich nun nicht mehr dagegen wehren, dass der Preis für die undemokratischste Diktatur auf deutschem Nachkriegsboden nach Meinung einiger Verblendeter nun nicht verdientermaßen an sie geht, sondern an die Bundesrepublik, die unverschämterweise gar nichts zur Erlangung dieses schlechten Rufs getan hat! Ja, sie taugt ja nicht mal ansatzweise als "Sklavenstaat", denn die Bevölkerung darf reisen wohin sie will und die Grenzen sind zudem löchrig wie ein Schweizer Käse!

Menschen, die die Tatsache, dass sie in der DDR eine Arbeit und für die Kinder einen Krippenplatz hatten, über dem Unrecht stellen, welches Unzählige - geschädigt an Leib, Leben und Würde - erdulden mussten, haben jeden Bezug zur Verhältnismäßigkeit verloren. Da stellt sich dann spontan die Frage, welchen guten Psychoanalytiker man ihnen vielleicht empfehlen könnte, denn sie sind offensichtlich krank und brauchen dringend Hilfe! Schläft man aber noch einmal eine Nacht darüber, so kann man auch zu der Einsicht gelangen, dass das gar nicht nötig ist, denn wer sich so die Welt zurechtbiegen kann, der ist in Wirklichkeit nicht krank, sondern unheilbar gesund!

Und so ist bei näherer Betrachtung ohnehin alles relativ und damit auch nur halb so schlimm: So war der 11. September 2001 zwar tragisch, andererseits wäre das WTC irgendwann sowieso von alleine eingestürzt, weil ja schließlich nichts für die Ewigkeit gebaut ist; das nordkoreanische Hungerregime von Kim Jong Il hält seine Bevölkerung zwar eingesperrt wie Tiere und die Menschen haben nichts zu fressen, andererseits aber hat es den weltweiten Trend zur Fettleibigkeit in seinem Land erfolgreich eingedämmt; der iranische Präsident Ahmadinedschad bastelt zwar - wie sein nordkoreanischer Diktatorkollege - fleissig an der Atombombe, und droht, Israel von der Landkarte zu tilgen, aber in Wirklichkeit geht es natürlich nur um eine zivile Nutzung der Kernenergie, weil auch die Vernichtungsdrohung gegenüber Israel schließlich nur auf einer metaphysischen Ebene gemeint war - und zu guter Letzt war die DDR eben doch kein Unrechtsstaat, sondern ein Land, dessen Führer die Bevölkerung eben nicht einsperrten, sondern mit dem "antifaschistischen Schutzwall" lediglich die Imperialisten (sofern sie keine Devisen und großzügigen Staatskredite für den ständig klammen Staat mitbrachten) aussperrte!


Wer also weiter von einem Unrechtsstaat spricht, dem seien die Worte von Stasi-Chef Erich Mielke in Erinnerung gerufen, der einst sagte: "Ich liebe doch alle Menschen!". Ja, kann denn so einer böse sein? Oder gar lügen? Nein, natürlich nicht! Und auch der Ausfall meines geplantes Picknicks am Wochenende, welches wegen des Dauerregens leider buchstäblich ins Wasser gefallen ist, war im Nachhinein betrachtet eigentlich halb so schlimm: Ich lümmelte mich stattdessen vor dem Fernseher herum und begleitete Tommy, Annika und Pippi ins Taka-Tuka-Land. Beim MDR. Versteht sich.

Mittwoch, 3. Juni 2009

von Antisemiten und sabbernden Hunden

Träume sind bekanntlich Schäume. Aber mal Hand aufs Herz: Wer von uns träumt nicht dann und wann davon, einmal reich und berühmt zu sein, stark und mächtig oder einfach nur irgendwer, irgendwo - nur nicht der, der man gerade ist? Der eine wäre zum Beispiel gern Volkssänger vom Schlage eines Roberto Blanco, der seine Umwelt seit Jahrzehnten straffrei mit dem immer gleichen Lied traktiert, keine Baumarkteröffnung zwischen Erding und Buxtehude auslässt, und dem nach seinem Auftritt scharenweise rüstige Mittsechzigerinnen die Bude einrennen. Der andere würde gern toll malen können oder sich als Pornostar einen Namen machen - wenn nur nicht die Ehefrau etwas dagegen hätte! Und Farin Urlaub von den Ärzten sang einmal, er wäre gern Madonnas Dickdarm.

Wieder andere träumen dagegen in größeren Kategorien: Sie halten sich nicht erst damit auf, für ihre eigene jämmerliche Existenz eine annehmbare Alternative herbeizusehnen, nein, sie träumen lieber von alten Zeiten! Denn früher, da war bekanntlich alles besser, denn es gab noch fest abgesteckte Feindbilder, und der Deutsche war noch was, wenn er bei einer Parade auf dem Ku‘damm in Uniform und Stechschritt den rechten Arm zum Gruße erhob!

Diese tiefe Sehnsucht, Antriebsfeder manch beachtenswerter Psychiatriekarriere, da bis zur Obsession gesteigert, gab es freilich immer seit dem Zusammenbruch des 1000-jährigen und dem Abgang des GröFaZ. Der Unterschied aber ist: Im Prä-Internetzeitalter war all das noch erträglich, denn die meisten dieser Spinner hat man glücklicherweise nicht wahrgenommen! Mit Aufkommen des Internet änderte sich dies jedoch schlagartig, denn plötzlich hatten die postsenilen Träumer und Ewiggestrigen eine Plattform erhalten, um ihren geistigen Unrat unter die Leute zu bringen. Aber es war trotzdem halb so schlimm: Wer sich das nicht antun wollte, der konnte ja um Seiten, wie z.B. der Homepage der NPD, einen weiten Bogen machen. Richtig schlimm wurde es erst mit dem Einführung des „Internet 2.0“.

Das Schlagwort „Internet 2.0“ steht für das „Mitmach-Internet“ und ist eigentlich eine tolle Sache: Der Nutzer ist nicht länger mehr nur Konsument, sondern immer mehr auch Produzent. So zum Beispiel, wenn er die ganze Welt bei YouTube mit einem selbst gedrehten Video vom letzten Michael Wendler-Konzert an diesem fragwürdigem Vergnügen teilhaben lässt, oder ein Fan bei Amazon die neue DVD-Box von Rosamunde Pilcher rezensiert. Es liegt aber bedauerlicherweise in der Natur der Sache, dass es auch hier Schattenseiten gibt: Wie Motten vom Licht und Fliegen von der Scheisse angezogen werden, so musste man auch im „Mittmachweb“ nicht lange warten, bis die braune Brut dort ihre Claims abgesteckt hatte.

Besonders verbreitet ist braunes Gedankengut mittlerweile in Foren, denn für lichtscheues Gesindel gibt es hier eine ideale Umgebung: Man ist anonym, muss also nicht noch großen Mut beweisen und kann so recht frei drauflos kommentieren.

Ein konkretes Beispiel aus Duisburg: Die Internetseite "derwesten.de", die Seite von WAZ und NRZ, hat auch ein solches Forum und eine Kommentarfunktion für Autorenbeiträge. Dort wurde jüngst ein Artikel veröffentlicht, in dem berichtet wurde, dass Duisburg im Spätsommer 2009 einen jüdischen Kindergarten bekommt. Der Kindergarten wird über 30 Plätze für Jungen und Mädchen verfügen und allen Kindern, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit, offen stehen. Michael Rubinstein, der Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde Duisburg, beschreibt auch die finanzielle Realisierung: Die Kosten für den Umbau, in Höhe von 330.000 EUR, werden durch die Gemeinde vorfinanziert, diese erhält aber geschätzte 226.000 EUR in Form von Fördergeldern vom Land zurück, da der Kindergarten auch Kinder unter drei Jahren betreuen wird, und damit förderungswürdig ist. Soweit zu den Fakten.

Es dauerte nicht lange, da meldete sich schon der erste Kommentator zu Wort, der sich offenbar große Sorgen um die Freiheit der Kinder macht und sich wünscht, "dass diese hoffentlich nicht 'beschnitten' werden in ihren Freiheiten!". Bemerkenswert auch, wie stark manch einer bereits im Geiste beschnitten ist.

Der User "T.H." ereifert sich: "wie alle ihr extrawürstchen bekommen ;D voll geil! wird zeit das ich hier wechzieh... " (sic!) - man kann nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass er seine Koffer bereits gepackt hat und sich für eine Reise zum Mond entschliesst.

Der Nutzer "A.S." ist mit seinem Kommentar dagegen ein wunderschönes Beispiel für geistige Degeneration: Er wettert gegen die 226.000 EUR für die "Einrichtung eines weiteren Paralleluniversums", fragt sich, warum die katholische Kirche keine Förderung in gleicher Höhe bekommt und warum die "normalen Deutschen" den Laden (den Kindergarten) dichtmachen mussten, während die frechen Juden einfach so einen Kindergarten geschenkt bekommen.

Bei "A.S." ist das Problem, dass seine Wahrnehmung bereits völlig ausgesetzt hat. Er lässt sich daher auch von den im Artikel beschriebenen Fakten nicht täuschen, nämlich, dass der katholische Kindergarten, der sich vorher in den Räumen befand, die nun der jüdische KiGa beziehen will, nicht "dichtgemacht" wurde, sondern das dieser Kindergarten ins Forum umgezogen ist, ebenso wenig wie von der zweiten Tatsache, nämlich dass die 226.000 EUR Fördergelder an den Kindergarten gezahlt werden, weil er ein Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren anbietet und nicht, weil er jüdisch ist - denn das kann ja jeder behaupten! Und zuletzt schafft ein jüdischer Kindergarten, der allen Konfessionen offen steht und als einzige Einschränkung koscheres Essen anbietet, bereits ein "Paralleluniversum", allerdings nur ein kleines und keine unendlichen Weiten gähnender Leere, wie die, die "A.S." bewohnt.

Es sei erwähnt, dass es natürlich auch User gibt, die solche hinrissigen Kommentare auch entsprechend beantworten und die den Kindergarten als kulturelle Bereicherung sehen. Für "Spacedrummer" ist das Vorgehen gegen Taktlosigkeiten, wie erstgenannten Beispiel, jedoch automatisch ein Schuldeingeständnis, weshalb er schreibt: " (...) Wenn hier einer krank ist, dann doch wohl Ihr Duckmäuser! Wer sich schuldig bekennt, ohne es zu sein, der sollte sich in ärztliche Behandlung begeben. Ihr seid so schuldneurotisch, daß Ihr sogar den Gebrauch des Gasherdes verweigert." - das "Spacedrummer" vom Gasherd regen Gebrauch macht und auch gern mal dran schnüffelt, ist dagegen offensichtlich.

Die Hirnlosen treffen sich also zu einem trauten Stelldichein und lamentieren mal böse, dass dieser Kindergarten "unter keinem guten 'Davidstern' steht" und ereifern sich vor allem immer wieder über das liebe Geld: Haben die Juden nicht mal wieder das große Los gezogen? Bekommen einen Kindergarten, finanziert mit Staatsknete, geschenkt und besitzen noch die Chuzpe, einige Kommentare unter dem Pseudonym "JuedischeGemeinde" sehr professionell und sachlich zu beantworten, statt sich auf das angetragene Niveau herab zu begeben. Und noch schlimmer wiegt das: Unter all den anonymen Schmutzfinken wagt es der Vertreter der Gemeinde selbst anonym zu bleiben, was ihm freilich übel genommen wird. Der antwortet darauf angesprochen: "(...) Und warum ich meinen Namen hier nicht schreibe: auf solch tolle "Fanpost" in meinem privaten Briefkasten kann ich getrost verzichten!"

Man fragt sich freilich, was das für Leute sind, bei denen es bei einfachen Denkvorgängen und dem Beherrschen der deutschen Sprache und Rechtschreibung ganz oft noch schwer hapert, deren antisemitische Gesinnung hingegen schon sehr gut ausgeprägt ist. Und vor allen Dingen: Warum sind es so viele? Warum erkennt man diese Menschen sonst nicht? Ein Grund ist, dass sie auf eine gute Gelegenheit warten und sonst eher unauffällig sind. Sie sind konditioniert wie der Pawlow'sche Hund, der beim Ertönen der Klingel an Essen denkt und automatisch zu sabbern anfängt. Ebenso fangen auch die Salon-Antisemiten, die man nicht auf den ersten Blick erkennt, sofort an zu hyperventilieren - wie Matrosen, die nach sechs Monaten auf hoher See endlich in einem Puff andocken -, wenn irgendwo das Wort "Jude" fällt.

Fakt ist jedenfalls: Hätte es sich um einen katholischen oder evangelischen Kindergarten gehandelt, so hätte sich nur die übliche Handvoll Sesselfurzer aufgefordert gefühlt, einen Kommentar abzugeben, weil diese Randgruppe immer alles kommentieren muss. Die Tatsache aber, dass einem Artikel über einen Kindergarten 71 Kommentare, die meisten davon Schmierereien, gewidmet wurden, spricht hingegen eine deutliche Sprache, wie es um den Antisemitismus in Duisburg bestellt ist. Das zeigte nicht zuletzt ja auch der Duisburger Flaggenskandal, bei dem bei einer Pro-Palästina-Demonstration dem Druck des Mobs nachgegeben wurde und eine Israel-Fahne von Polizisten aus einer Privatwohnung entfernt wurde, die sich im Fenster hängend befand.

Der iranische Präsident und Holocaust-Leugner Ahmadinedschad arbeitet ja gerade an einem neuen Holocaust und will "Israel von der Landkarte tilgen". Nur mal angenommen, es käme soweit: Wohin dann mit all der Schuld am Elend dieser Welt und der Verkörperung des Bösen? Elias Canetti schrieb in seinen Aufzeichnungen: „Es wird noch Juden geben müssen, wenn der letzte Jude ausgerottet ist.“

Link zum Artikel "Duisburg bekommt jüdischen Kindergarten": http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/duisburg/2009/4/30/news-118416438/detail.html#736224

Montag, 1. Juni 2009

Neue Blogseite

Neue Beiträge erscheinen zukünftig nur noch auf dieser Seite. Hier können nun endlich auch Kommentare hinterlassen werden. Von den älteren Beiträgen habe ich nur wenige übernommen, so dass sich diese Seiten hier erst wieder füllen müssen. Ich würde mich freuen, wenn mir meine alten Leser treu bleiben und hoffentlich viele Neue hinzukommen. Psycho

Sonntag, 31. Mai 2009

Die Polen und die Schuldfrage

In Polen liegen die Nerven mal wieder blank. Kurz vor der Europawahl am 7. Juni, die ohnehin niemanden interessiert, hat es das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in der Ausgabe 21/2009 zumindest bei unseren östlichen Nachbarn geschafft, die Öffentlichkeit aus der Dämmerung zu reißen, in die sie gerade - in Vorbereitung auf das alljährliche Sommerloch - zu fallen drohte.
Auslöser war das Titel-Thema der Spiegel-Ausgabe: "Die Komplizen - Hitlers europäische Helfer beim Massenmord". Was der Geschichtsschreibung schon lange bekannt ist, denjenigen aber, die sich mit dem Thema Geschichte vorsichtshalber nur im Rahmen von überschaubaren Zeiträumen auseinandersetzen ("Was hatte ich gestern eigentlich zu Mittag?"), für die ist der Vorwurf, dass sich in den damals besetzten Ländern auch Einheimische nach Kräften bemüht haben könnten, eine zufrieden stellende "Endlösung" herbeizuführen, geradezu ungeheuerlich.
Infolgedessen gab es in Polen eine riesige Welle der Empörung, denn die Behauptung des Spiegel, der sich auf Aussagen von renommierten Historikern stützt, dass in den besetzten Ländern 200.000 Einheimische den Deutschen mal mehr, mal weniger freiwillig bei ihrem Mordgeschäft assistierten und auch Polen Juden direkt an die Gestapo verrieten, wiegt schwer; insbesondere dann, wenn man in einer Gesellschaft groß geworden ist, in der Gut und Böse fest verortet sind, nämlich in der Gestalt des bösen Deutschen und der guten Polen und Alliierten, was in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg zwar stimmt, aber bei vielen in kollektiver Idiotie zu der Annahme geführt hat, dass es bei den Guten einfach keine schlechte Menschen gegeben haben kann.
Aber es ist nicht nur die nicht so geschichtsbewanderte Masse, die da aufschreit, sondern auch Intellektuelle: So bezeichnete der polnische Historiker Antoni Dudek in der "Polska" den deutschen Artikel als einen "Skandal" und behauptete ferner, dass es sich "um eine bewusste Lüge handelt, wenn deutsche Journalisten solche Artikel schreiben."
Und um eine Anamnese über den Werdegang des in Polen weltbekannten Historikers Antoni Dudek anstellen zu können, braucht es dann auch nur diese eine Aussage. Dudek wurde 1966 geboren, ist also 43 Jahre alt und hat damit die prägende Zeit seiner Jugend und seiner Ausbildung noch in einem Land und Gesellschaftssystem verbracht, in dem es zwar um die Rede-, Reise- und Pressefreiheit nicht so gut bestellt war und die Versorgung mit Bananen und anderer Südfrüchte auch nicht so recht klappen wollte, welches dafür aber das Zurechtbiegen der Wahrheit, bis sie der eigenen Sichtweise entspricht, in Perfektion beherrschte.
So war auch das Massaker von Jedwabne, bei dem am 10. Juli 1941 die polnischen Einwohner der Stadt ihre jüdischen Nachbarn zusammentrieben und in einer Scheune verbrannten, jahrzehntelang den Deutschen in die Schuhe geschoben worden, bis irgendwann die Wahrheit ans Licht kam und die Beweislast so erdrückend wurde, dass die Polen zähneknirschend zugeben mussten, dass es Polen waren, die ihren Nachbarn das angetan hatten. Überraschenderweise sank gleichzeitig allerdings auch die Zahl der proklamierten Opfer des Massakers von 1600 auf "höchstens 200".
Im Juli 2001 kam es auf internationalem Druck in dem Ort zu einer "Gedenkveranstaltung", in dessen Folge einer der Initiatoren (der damalige Bürgermeister von Jedwabne) in die USA emigrierte, da ihm daheim nur noch blanker Hass entgegenschlug. In der Gedenkveranstaltung, einem Schmierentheater allererster Güte, verziehen die Täter ihren Opfern großzügig, dass es sie zu Mördern gemacht hatte.
Man könnte noch das Pogrom von Kielce aus dem Jahre 1946 aufzählen, bei dem einige Dutzend Juden nichts weiter wollten, als ihr Heim, aus welchem sie im Krieg vertrieben worden waren, wieder in Besitz zu nehmen. Dieses Ansinnen passte den neuen Eigentümern aber gar nicht, so dass man die Juden für dieses unverschämte Ansinnen erschlug. Als auch hier die Argumentation eng wurde, da die Deutschen als Täter ja nicht in Frage kamen, behauptete man rasch, die Schuldigen wären Juden gewesen, die gutmütige Polen aufgehetzt hätten, die Juden zu erschlagen, damit die Juden später Polen anklagen können - eine fantastische Story aus dem Gruselkabinett sozialistischer Geschichtsklitterung!
Es gibt genug Fakten aus allen damals besetzten Ländern, die den Spiegel-Artikel eindrucksvoll untermauern. Aber das gilt nur für die reale Welt. In der postsozialistischen Einheitstraumwelt eines Betonkopf-Historikers wie Dudek, bleibt all das Lüge, denn die Partei, die hat bekanntlich immer Recht!

Mittwoch, 27. Mai 2009

Crash-Kurs: Arm über Nacht

„Das Fernsehen“, so stellte Oliver Kalkofe einst fest, „hat mehr für die Verblödung der Menschheit getan, als jedes andere Medium“ und da könnte er durchaus Recht haben! Und besonders hervorheben darf man da wohl die öffentlich-rechtlichen Sender, die mit grenzdebilen Sendungen wie dem Musikantenstadl, dem Grand Prix der Volksmusik, der Lindenstraße und anderen Scheusslichkeiten an vorderster Front mithelfen, dem großen Ziel, die Rückverdummung Deutschlands, mit jeder ausgestrahlten Sendung wieder ein Stückchen näher zu kommen. Die oben genannten Sendungen sind ganz offensichtlich einzig und allein für die Verblödung der Massen gemacht und präsentieren sich auch für jeden Zuschauer, der noch halbwegs bei Verstand ist, ungeniert als solche. Nun gibt es aber Menschen, die möchten sich ungern so bewusst und offen verdummen und zum Narren halten lassen. Daher gibt es für sie spezielle Formate, so genannte Sendungen mit „intellektuellem Anspruch“, wie z.B. die Live-Berichterstattung von der Frankfurter Buchmesse, bei der man sich fragt, ob es nicht doch das Buch war, welches die Verblödung der Menschheit am Weitesten vorangetrieben hat, denn so viel Mist, wie einem dort präsentiert wird, könnte das Fernsehen schon aus reinen Kapazitätsgründen niemals in die weite Welt hinaussenden. Eine weitere Sendung von intellektuellem Kaliber ist der von Frank Plasberg moderierte Polittalk "Hart aber Fair" in der ARD, wobei man aber grundsätzlich anerkennen muss, dass Moderator und Redaktion zumindest in der Vergangenheit stets bemüht waren, eine qualitativ gute Talkrunde auf die Beine zu stellen und diesem Anspruch meistens sogar gerecht wurden. In der letzten Zeit legt der Bambi-Preisträger Plasberg mit seiner Sendung jedoch eine rasante Talfahrt hin und falls ihn niemand stoppt, wird man ihn bald in einem Atemzug mit Trash-Talkern wie Jürgen Fliege, Hans Meiser oder Ilona Christen nennen - und das hätte er nun wirklich nicht verdient! Aber so ist es nun mal: Auch die beste Talksendung - mag der Moderator auch noch so gut sein - steht und fällt mit ihren Studiogästen und dem diskutierten Thema. Hier bewies Frank Plasberg kürzlich mit der Sendung "Armutsrisiko Reichtum" und den dazugehörigen Gästen eindrucksvoll, dass auch er nicht immer ein goldenes Händchen hat, sondern gern auch mal in die Grütze greift. Die Studiogäste, die sich Plasberg und sein Team für dieses Thema zusammengesucht haben, wären auch eine traumhafte Bereicherung für jeden Tanztee in einem x-beliebigen Seniorentreff gewesen, wo Gemütlichkeit und behäbiges Dahindämmern ebenso Programm sind. Da wäre zunächst der DGB-Chef Michael Sommer (SPD), der sich im bundesdeutschen Polittalk mittlerweile als feste Größe etabliert hat und zu so ziemlich jeder Sendung, die sich nur im entferntesten um das Thema "Jobs und Finanzkrise" dreht, auf die wehrlosen Fernsehzuschauer losgelassen wird. Seine Spezialität sind langweilige Plattitüden und das ständige Abarbeiten an Allgemeinplätzen. Selbstverständlich hat Sommer aber auch Zukunftsprognosen im Angebot. So hat er wieder sein Orakel befragt und prophezeit "soziale Unruhen, falls es bald zu Massenentlassungen kommt". Zweite Person in dieser illustren Runde ist die Gräfin Stephanie von Pfuel (CSU), die ihre Kompetenz in Wirtschaftsfragen in Form von "Verbrauchertips" (Kaffeewerbung für Eduscho) bereits eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte und die kritisiert, dass "die Wohlhabenden von den Politikern zur Zeit aus purem Populismus an den Pranger gestellt werden.", denn: "Wie sonst soll ich die Reichensteuer verstehen?" Anton F. Börner ist der nächste Studiogast. Der nett wirkende ältere Herr sieht zwar aus wie der typische "Eckrentner", ist in Wirklichkeit aber noch berufstätig und sogar Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes und klagt an: "Wer selbst im Krisenjahr ernsthaft noch Verteilungskämpfe führen will, hat den Ernst der Lage offenbar nicht begriffen!". Herr Börner, der z.B. schon mal beschlossen hat, dass "nicht der Lohn, sondern das Einkommen zum Leben reichen (müssen)", die Betriebe also Hungerlöhne zahlen und der Staat - und damit die Allgemeinheit - den Rest beisteuert, hat möglicherweise auch ganz viel nicht begriffen... Auch dabei ist Hubertus Heil, der SPD-Generalsekretär, der die Reichensteuer verteidigt und eine gerechtere Gesellschaft fordert. Heil ist wohl ein netter Kerl, aber manchmal wünscht man sich doch, dass er sein Heil vielleicht lieber in der Flucht vor einem Posten suchen möge, der ihn offenbar kontinuierlich überfordert. Er erinnert ein wenig an seinen Vorgänger Olaf Scholz, den man nur den "Scholzomat" nannte, wenn er auf eine Frage von Plasberg wie ein Automat seine Lobeshymnen auf Steinbrück, Steinmeier & Co. abspult und dabei vollständig vergisst, das alles in einen Sinnzusammenhang mit der gestellten Frage zu bringen. Und um die Runde komplett zu machen, kommt zuletzt noch der ultimative Studiogast mit Sahnehäubchen ins Rennen: Es ist Philip Mißfelder, der Vorsitzende der Jungen Union, der Kompetenz-Titan, der ganz nebenbei noch riesiges soziales Engagement und die Kunst, sich so dämlich auszudrücken, dass ihn wirklich auch der Letzte missversteht, eindrucksvoll in sich vereint. Der "Zappelphillip", der mal 85-jährigen eine künstliche Hüfte verweigern will und die Anhebung der Hartz-IV-Bezüge als "Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie" versteht, entdeckt seine soziale Ader wieder aufs Neue, wenn er in der Sendung mahnt: "Teile der Wirtschaftselite haben sich schlecht aufgeführt. Doch dafür dürfen jetzt nicht pauschal alle Leistungsträger bestraft werden!". Die Solidarität ist wohl verständlich, denn wie man sich schlecht aufführt, weiß Mißfelder selbst ja nur zu gut. Frank Plasberg beschäftigt sich nach den Eingangs-Statements der Studiogäste zunächst mit Michael Sommer und fragt diesen, was er unter den "sozialen Unruhen", vor denen er warnt, überhaupt versteht. Michael Sommer, ein ausgewiesener Freund von Konjunktiven, antwortet, dass es "möglicherweise dazu kommen könnte, dass Menschen sich politisch radikalisieren", wobei die Glaskugel ihm aber nicht verrät, in welche Richtung eine solche Radikalisierung stattfinden würde. "Möglicherweise" werden sie im Zuge dessen auch "sehr viel stärker protestieren in den Betrieben, möglicherweise auch in Großdemonstrationen" und möglicherweise ist die Erde eine Scheibe und überhaupt ist laut Toyota ja nichts unmöglich. Wenig Erhellendes oder Neues also beim DGB-Vorsitzenden, spannender wird es bei der Kaffee-Gräfin: Plasberg möchte wissen, was sie denn gegen die geplante Reichensteuer der SPD habe und dabei tritt schier erstaunliches zutage: Die "Leistungsträger" nämlich sind es, die der Sprit für den Konjunkturmotor sind und "eine Reichensteuer würde dieses Wirtschaftswachstum eventuell abwürgen". Eventuell wird der Motor aber auch nur deshalb abgewürgt, weil ein Esel am Steuer sitzt und das Gas mit der Bremse vertauscht... Aber wer weiß das schon? Diese Überlegungen und Spekulationen müssen unsere Gräfin aber eigentlich gar nicht kümmern, denn das Schöne an dieser Sendung ist, dass der Studiogast eine Positions- und Wertebestimmung ganz frei nach Gutdünken selbst vornehmen darf und die "Reichensteuer", der Name sagt es schon, ist ja nur den Reichen vorbehalten. So überlässt Frau von Pfuel die Beantwortung der entscheidenden Frage, wer denn nun überhaupt reich, arm oder schlicht nur ein "Gutverdiener, aber nicht reich" ist, nicht etwa anderen, sondern gibt die Definitionsmaßstäbe selbst vor. In früheren Zeiten, als der Adel in Politik, Militär und sämtlichen Gesellschaftsbereichen noch den Ton angab, wäre keine Gräfin jemals auf die absurde Idee gekommen, sich klein und arm zu rechnen - im Gegenteil. In Zeiten jedoch, wo Adelstitel zur Ramschware verkommen und selbst ein Jürgen Drews zum "König von Mallorca" avanciert; wo offen präsentierter Reichtum und dicke Klunker irgendwie doch nicht mehr so en vogue sind, wenn Millionen sich in Suppenküchen ernähren und Hartz IV beziehen, da will auch der deutsche Hochadel nicht hinten anstehen und zumindest ein wenig in den Jammerchor einstimmen und sich mit dem gemeinen Fußvolk solidarisieren: Nach den Maßstäben von Frau von Pfuel ist nämlich Reichtum ausschliesslich daran festzumachen, welches monatliche Einkommen erzielt wird. Sie rechnet also vor, dass sie mit einem Einkommen von knapp 5.000 EUR im Monat nun wirklich nicht reich sein kann, sondern "nur gut verdient". Freilich, würde man dieser Definition folgen, dann wäre der Vorstandsvorsitzende der Postbank, Wolfgang Klein, der zur Zeit für ein symbolisches Jahressalär von 1 EUR arbeitet, die ärmste Sau der Republik, der die Nächte mit einer Flasche billigen Fusel und zugedeckt mit einer alten Zeitung auf einer Parkbank verbringen muss und für den selbst Hartz-IV-Empfänger in unermesslichem Reichtum schwelgen. Der Vorstandsvorsitzende der Postbank, er käme morgens in zerrissenen Lumpen zur Arbeit, und während seine Vorstandskollegen es sich gegen Mittag im Kasino bei haute cuisine gut gehen liessen, würde man Herrn Klein in den Räumen der Bonner Tafel beim Löffeln eines Tellers Bohnensuppe antreffen. Der Pfuel'sche Konjunkturmotor bleibt bei einer solchen Betrachtungsweise jedoch so oder so - ob mit oder ohne Reichensteuer - mit einem Kolbenfresser am Wegesrand liegen, denn nach einer solchen Definition bricht unter Deutschlands Reichen über Nacht die Armut aus und die Reichen von Gestern greifen Heute händeringend nach Staatsalimente um ihr nacktes Überleben zu sichern. Ade, du rettende Reichensteuer! Hat man in der Schule jedoch gut aufgepasst, so kann man durchaus darauf kommen, dass zum Vermögen eben nicht nur das zählt, was zukünftig regelmäßig hinzu kommt, sondern insbesondere das, was man schon hat. Und unter dieser Betrachtungsweise legt die arme Gräfin plötzlich einen kometenhaften finanziellen Aufstieg hin, denn als Alleinerbin von Schloss Tüssling, einem der größten Renaissance-Schlösser in Deutschland, mit dem dazugehörigen Landgut, wird es schon etwas schwerer, sich ein Tränchen für die "arme" Gräfin herauszupressen.
Der Rest der 75-Minuten-Sendung ist da auch nicht weiter erwähnenswert; es ist das übliche Blabla selbsternannter Experten, Glaskugel-Befrager und Geschichtchen-Erzähler vom Märchenschloss. Einen spannenden Moment gab es aber dann doch noch: Es war ausgerechnet Philip Mißfelder, dem - man sollte das im Kalender rot anstreichen - ein wirklich kluger Satz entwich: "Ich glaube, Reichtum ist relativ. Ich verdiene als Abgeordneter nicht schlecht, aber wieder andere lachen über mein Gehalt. Für meinen Opa jedoch, der noch unter Tage als Bergmann arbeitete, wäre ich heute ein reicher Mann. Es kommt immer auf den Standpunkt an!". Plasberg wendet sich noch einmal an von Pfuel: Ob sie denn nicht wenigstens nach der Definition von Mißfelder doch reich wäre. Die Gräfin kann dem nicht zustimmen: "Nein", sagt sie. Adel verpflichtet eben doch. Vor allen Dingen zum Leben fernab der Realität.

Freitag, 24. April 2009

Der Matrjoschka-Effekt

„Wer nichts wird, wird Wirt“ lautet ein altes Sprichwort. Und wie das bei Sprichwörtern häufiger so ist, ist dies nicht die ganze Wahrheit. Denn neben der Option, das ganze Leben als Schankwirt in einer schmierigen kleinen Hafenspelunke zu fristen und dabei Gefahr zu laufen, mit der Zeit selbst der beste und abnahmefreudigste Kunde zu werden, boten sich in der Vergangenheit nämlich noch zwei weitere Möglichkeiten an, der Sprichwortfalle zu entkommen: Man ging entweder zu Krupp nach Rheinhausen oder wanderte aus nach Amerika, um dort filmreif vom Tellerwäscher zum Millionär emporzusteigen. Die heutige Situation stellt sich indes etwas anders dar: Krupp-Rheinhausen gibt es nicht mehr und die Vereinigten Staaten pfeifen als Epizentrum einer globalen Finanzmarktkrise gerade selbst aus dem letzten Loch. Welch glücklicher Umstand ist es da, dass sich mit Zusammenbruch des Ostblocks noch eine weitere Hintertür ins Pantheon der Geschichte auftat: In Russland geht nämlich das Konzept der 1-EUR-Läden noch besser auf, als in Deutschland: Selbst Artikel, die hierzulande als Ladenhüter ihr Dasein fristen und wie Blei in den Regalen liegen, verkaufen sich dort wie geschnitten Brot. Man kann nur mutmaßen, aber die Russen haben offensichtlich Freude daran, sich zwischendurch mit belanglosen und unsinnigen Sachen zu beschäftigen. Noch mehr, als die Deutschen. Wie sonst könnte man erklären, wenn ein in Deutschland abgehalfterter Trällerbarde wie Thomas Anders in Russland zu späten Ehren kommt und zum Volkshelden avanciert und ganz nebenbei noch von der National-Universität für Kunst und Kultur in Kiew ehrenhalber zum Professor ernannt wird? In Russland sind offenbar wieder schlimme Zeiten angebrochen, wenn man den Kremlpalast – immerhin der Ort, an dem Gorbatschow einst die Reformen verkündete und die KPdSU fast 30 Jahre tagte - nun mit einer ganzen Serie von „Modern Talking Reloaded“-Auftritten (allerdings ohne Dieter!) substanziell entwertet. Immerhin: Thomas Anders macht die Bude voll und bringt wieder Leben in die Sülze. Wo dereinst die ganz großen Räder der Geschichte gedreht wurden und es um Fragen ging, ob man etwa mit dem Verbleib der Atomraketen auf Kuba einen Atomkrieg riskieren will, geht es heute um die ebenso drängende Frage, welchen Blazer Anders zu seinem Auftritt tragen wird; den Weißen oder den Schwarzen? Und vor allem: mit oder ohne Schulterpolster? Die gute Nachricht für uns alle lautet aber: Wer Karriere machen, vom Volk geliebt und es zu wissenschaftlichen Ehrungen bringen will, für den führt dieser Tage kein Weg an Mütterchen Russland vorbei. Das Beispiel von Thomas Anders zeigt ja anschaulich, dass in der Heimat der Matrjoschkas auch das kleinste Püppchen groß rauskommen kann. Der zugehörige Artikel bei Spiegel-Online HIER!

Sonntag, 15. März 2009

Das Grauen von Winnenden

Dies wird kein lustiger Artikel. Nein, er wird bitterernst, geht es doch um ein Thema, welches mich und auch die ganze Nation zutiefst erschüttert hat: Das Blutbad von Winnenden, bei dem dem 17-jährigen Tim Kretschmer in seiner alten Schule und seiner anschließenden Flucht 15 unschuldige Menschen zum Opfer gefallen sind. Über die Motive des Täters kann man zur Zeit nur Vermutungen anstellen, aber eigentlich gleichen sich die Profile solcher Amokläufer doch ziemlich oft: Er wollte wohl stark sein, mächtig, bewundert und gefürchtet! Wollte über Leben und Tod entscheiden; jemand sein, den man anbettelt, doch noch leben zu dürfen und für den man alles, wirklich alles, tun würde, damit er einem gnädig das Leben schenkt! Einer, bei dem auch der bisher Stärkste in den Staub kriecht und unter dem Eindruck einer an den Kopf gehaltenen Pistole winselt, das man ihn verschonen möge! Ja, Tim Kretschmer wollte stark, allmächtig und berühmt sein - ganz sicher! Er war vielleicht, wie so viele andere Amokläufer, zeitlebens unzufrieden mit sich selbst, mit seiner Rolle im Leben und damit, was andere in ihm sahen. Er hielt sich vermutlich selbst für unglaublich stark, empfand aber, dass er von anderen nur verlacht und verkannt wurde. Es ist anzunehmen, dass Tim K. sich aufgrund von Demütigungen, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens zu ertragen hat, in eine tiefe Obsession steigerte und dadurch eine Rolle annahm, die er zuletzt nicht mehr ertragen konnte. Ein jämmerlicher Schwächling Dabei manifestierte er mit der der darauf folgenden Wahnsinnstat für sich doch erst wirklich genau jene Rolle, der er mit dem fürchterlichen Blutbad wohl eigentlich entkommen wollte: die des jämmerlichen Schwächlings, des Taugenichts, eines Menschen auf dessen Namen man ausspuckt. Möglicherweise hat er für sich aber dennoch erreicht was er wollte: Er konnte seine perverse Fantasie, der Blutrichter vieler Menschen zu sein, für ein paar Stunden ausleben. Nach Augenzeugenberichten handelte Tim K. absolut gelassen und souverän; zielte in aller Ruhe, drückte mit regungsloser Miene ab. Die meisten Opfer wurden per Kopfschuss aus nächster Nähe hingerichtet. Es dreht sich einem der Magen um bei dem Versuch, sich die grauenhaften Szenen vorzustellen, die sich an diesem Vormittag in dem beschaulichen Ort abgespielt haben müssen; sich vorzustellen, wie ein Mensch, der nur noch von dem einen Gedanken umtrieben wird, nämlich möglichst viele Leben für immer auszulöschen, seine um Gnade winselnden und wehrlosen Opfer eiskalt anblickt, abdrückt und zusieht, wie ein Mensch ein letztes Mal zuckt, seinen letzten Atemzug macht und mit einer Kugel im Kopf in sich zusammensackt. Wie krank muss ein Mensch sein, um daraus eine Befriedigung zu erlangen? Für normale Menschen ist all das nicht nachvollziehbar. Wir bleiben alle mit der Frage "Warum?" zurück und müssen hilflos ertragen, was passiert ist. Ein nie endender Schrecken für die Angehörigen Das Schlimmste ist aber die Tatsache, dass der Täter sich für immer in das Leben der Angehörigen der Opfer eingebrannt hat. Sie werden mit dieser Last leben müssen und auch zu ertragen haben, dass die Namen der Opfer schnell vergessen, der Name des Täters aber im kollektiven Gedächtnis haften bleiben wird. Ein Beispiel hierfür ist das Massaker von Erfurt vom 26. April 2002: Hätte sich Robert Steinhäuser damals einfach nur selbst erschossen, würde heute kein Hahn mehr danach krähen. So aber nahm er bei seinem Amoklauf noch 17 Menschen mit sich, bevor er sich selbst richtete. Robert Steinhäuser kennt daher heute fast jeder. Er hat sogar einen eigenen Artikel in der Wikipedia. Gibt es für Sie einen eigenen Artikel bei Wikipedia? Oder für mich? Nein! Aber für einen dreckigen und feigen Mörder gibt es einen! Die Opfer haben selbstredend keine eigene Artikelseite und werden auch im Artikel zu Robert Steinhäuser nicht namentlich erwähnt. Das Wikipedia-Beispiel ist hier nur exemplarisch, zeigt aber die zutiefst kranke Inversion der Aufmerksamkeitspirale bei Tätern und Opfern. Wenn es anschließend um die Frage geht, wie solche Taten zukünftig verhindert werden können, überschlägt sich die Politik erwartungsgemäß wieder mal mit allerlei Forderungen und zeigt wild mit den Armen rudernd, dass sie in Wahrheit genau so hilflos ist, wie wir alle: Der Standardaufschrei findet bei solchen Taten traditionell auf den Gebieten "Waffengesetz" und "Killerspiele" statt - was zunächst auch logisch erscheint. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass der Gesetzgeber immer dann an eine Grenze stösst, wenn er zwar Gesetze erlässt - das deutsche Waffenrecht beispielsweise gehört zum schärfsten der Welt -, dieses aber nicht eingehalten wird, wie im aktuellen Fall, wo zwar das Gros an Waffen ordnungsgemäß im Tresor deponiert war, eine einzelne Waffe nach Ansicht des Vaters jedoch unbedingt im Nachtschränkchen liegen musste, um im Falle eines Einbruchs für den dingfest gemachten Ganoven ohne großen Zeitverlust sofort das Exekutionskommando stellen zu können. Bei den "Killerspielen" sieht der Gesetzgeber mit einer Altersbeschränkung ebenso vor, dass Kinder und Heranwachsende mit solchem Material nicht in Berührung kommen. Neben der freiwilligen Selbstkontrolle der Industrie tut sich hier besonders die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hervor, die der Veröffentlichung jeden Mediums, welches geeignet wäre die Psyche der Kinder und Jugendlichen zu schädigen, genau regelt. Die Bundesprüfstelle nimmt ihre Aufgabe sogar so genau, dass sie den Akt zwischen zwei erwachsenen Menschen, also Pornografie, und daneben Videos und Spiele, die mit schlimmster Gewaltanwendung protzen, auf eine Stufe stellt. Das eine ist ein völlig menschlicher und natürlicher Vorgang, das andere abstossend und widerlich. Für Berufsmoralisten ist es ein und dasselbe. Wie dem auch sei, auch mit einer Indizierung, die das Erwerben solcher Produkte streng regelt und beim Kauf einen Altersnachweis erfordert, lässt sich das Problem nachlässiger Eltern natürlich nicht umschiffen. Eltern, die nicht wissen was ihr Nachwuchs treibt, was für Spiele ihre Kinder spielen, aus welchen Quellen diese Spiele stammen und für welches Alter diese geeignet sind, lassen alle Bemühungen des Gesetzgebers wirkungslos verpuffen. Als Folge davon rufen viele Politiker deshalb nach einem Totalverbot für Killerspiele und Gewaltvideos. Wer das aber fordert, muss sich anschließend auch fragen lassen, ob er auf einem Meskalin-Trip ist, oder andere bewusstseinsverändernde Drogen nimmt - oder ganz schlicht: einfach nur blöd ist! Ist ein Totalverbot für Gewaltmedien überhaupt möglich? Eine kleine Bestandsaufnahme zeigt nämlich folgendes: Es sind nicht deutsche Spieleschmieden, die für Killerspiele verantwortlich sind - und es sind keine deutschen Produktionen, die die schlimmsten Gewaltvideos produzieren. Diese Produkte bringt nämlich vornehmlich der "American way of life" hervor, bei dem zwar jeder Vollidiot sein persönliches Waffendepot besitzen darf und eine große Sammlung von Gewaltverherrlichenden Medien zum guten Ton gehört, das Zeigen von Arsch und Titten im Fernsehen oder das Benutzen unflätiger Wörter aber eine ungeahnte Welle der Empörung nebst Strafverfolgung auslösen. Wer also nach einem Totalverbot schreit, sollte sich, bevor er das tut, zunächst einmal Gedanken darüber machen, wie realistisch denn die Umsetzung einer solchen Forderung wohl ist und dann lieber vornehm schweigen. Fakt ist nämlich: Wir leben in einer globalisierten und vernetzten Welt. Demzufolge kann man Warenflüsse nur schwer, und wenn es sich um digitale Waren wie Spiele und Programme handelt, den Warenfluss praktisch gar nicht kontrollieren. Ein gutes Beispiel ist das Spiel "GTA - San Andreas", Teil einer beliebten Spielreihe der Firma Rockstar-Games. Als dieser Titel Anfang 2007 in Deutschland erschien, erhielt er eine FSK-Freigabe ab 16 Jahren. Diese Altersfreigabe erhielt es jedoch auch nur deshalb, weil das Spiel im Gegensatz zum amerikanischen Original in puncto Gewalttätigkeit für den deutschen Markt erheblich abgeschwächt wurde. Der Grund hierfür liegt natürlich darin begründet, dass indizierte Spiele in Deutschland nicht beworben und frei verkauft werden dürfen. Angesichts der Entwicklungskosten für ein Spiel sind die aus einr solchen Restriktion resultierenden Verkaufszahlen für den Hersteller natürlich nicht tragbar, deshalb gibt es in Deutschland regelmäßig solche entschärften Titel. Bei "GTA - San Andreas" spielt man eine Figur, die man durch eine riesige, Los Angeles nachempfundene Stadt steuert, und die sich in zahlreichen Missionen mit verfeindeten Gangs und anderen Bösewichten herumschlagen muss und so einen kometenhaften Aufstieg in der Gangster-Szene hinlegen kann. Das Spiel lebt von seiner dichten Atmosphäre, einer spannenden Hintergrundstory, toller Musik und aufregenden Autofahrten durch die fiktive Großstadt. Zwar wird auch in der entschärften deutschen Version noch geballert und getötet, was das Zeug hält. Völlig unterschiedlich ist jedoch der moralische Aspekt des Tötens, der nun vorgeschrieben und nicht mehr frei wählbar ist, sowie die Darstellung der Gewalt: Während man in der deutschen Version ausschliesslich auf andere Gangster, die entweder zuerst auf einen schiessen oder sich zumindest mit einer Waffe verteidigen können, schiesst und hierbei auf die Darstellung riesiger Blutlachen verzichtet wird, besteht in der amerikanischen Version die Möglichkeit, wehrlose Passanten zu töten, um sie auszurauben - oder einfach nur zum Spaß. Dieses Töten kann auch durch reine Schläge geschehen: geht das Opfer nach einer Schlagsalve zu Boden, kann man es mit gezielten Tritten auf den Kopf töten, wobei diese abstossende Szenerie noch anschaulich mit einer riesigen Blutlache untermalt wird. Beschnittene Versionen für den deutschen Markt sind wirkungslos Nun kann man sagen: Na schön, da ist doch schon eine wichtige Einschränkung und eine akzeptable Reduzierung der Gewalt. Was aber hilft das schon? Zum einen spielen bereits Grundschüler solche Spiele und zum anderen ist es mittlerweile eine völlige Selbstverständlichkeit geworden, sich für derartig beschnittene Spiele aus deutschen Landen im Internet einen "Blood-Patch" zu ziehen. Das Suchen eines solchen Patches und das Herunterladen und Installieren für San Andreas dauert keine fünf Minuten und das Blutbad kann losgehen! Gleichzeitig wirft bei solchen Verbotsschreien auch immer die Gemeinde der Spieler solcher Titel ihre Empörungsmaschinerie an. Aber nicht aus dem Grund, weil ein Verbot unsinnig ist, da nicht zu kontrollieren, sondern mit der Behauptung, dass solche Titel harmlos seien und keinesfalls als Erklärungsversuch für solche Wahnsinnstaten herhalten könnten. Ich frage Sie mal: Glauben Sie, dass ein Spiel, welches solche niederen menschlichen Instinkte bedient, für Personen, die aufgrund ihrer gestörten Persönlichkeit Allmachtsfantasien haben und nichts lieber täten, als einmal Herr über Leben und Tod zu sein, keine Inspirationsquelle darstellen? Wer das wirklich glaubt, glaubt auch noch an den Weihnachtsmann. Man kann abschließend feststellen: Der Gesetzgeber kann Richtlinien erlassen, aber letztlich obliegt es den Eltern, die Einhaltung dieser Richtlinien und Gesetze auch zu überwachen. Wer sich nicht für sein Kind interessiert und es unbeaufsichtigt gewähren lässt, versündigt sich an seinem Kind und letztlich an der Gesellschaft, wenn solche Taten wie am Mittwoch in Winnenden geschehen. Was Kinder heutzutage, in einer Welt, die scheinbar immer mehr entmenschlicht wird, mehr denn je von ihren Eltern brauchen, sind Liebe und Anerkennung - und zwar ohne Bedingungen!, sind Trost und Zuneigung, aber auch moralischer und seelischer Aufbau und die Fähigkeit der Eltern, ihren Kindern Grenzen aufzuzeigen - und zwar ohne Wenn und Aber. Wahr ist in diesem Zusammenhang leider auch, dass viele Eltern natürlich gar nicht in der Lage sind, solche Werte auch vorzuleben und sich auch nicht darum bemühen, was auch wieder ein altes Sprichwort bestätigt: Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr! Wenn man also im aktuellen Fall über Schuld spricht, dann darf man die Verantwortung der Eltern, insbesondere die des Vaters, nicht ausblenden. Denn: Ist es eigentlich zu viel verlangt, dass man vom Vater - immerhin ein studierter Mathematiker, bei dem man einen gewissen Intellekt voraussetzen dürfte - zu Recht hätte erwarten können, dass er, wo er von den psychischen Problemen seines Sohnes wusste, in der Lage ist, ein gewisses Gefahrenpotential zu erkennen und auch die eine Waffe, welche im Gegensatz zu den anderen Waffen im Besitz des Vaters nicht ordnungsgemäß im Tresor verschlossen, sondern im Schlafzimmer deponiert war, unverzüglich aus der Reichweite des Sohnes entfernt? Muss man eigentlich Tiefenpsychologie studiert haben um zu dem Schluss zu kommen, dass auch der eigene Sohn in Anbetracht eines auffälligen psychischen Krankheitsbildes in der Kombination mit einer Schusswaffe eine ernstzunehmende Gefahr darstellen könnte? Wo war dieser Mann in den letzten Jahren, als in den Nachrichten immer wieder auch die psychologischen Profile der Täter solcher Wahnsinnstaten seziert wurden, die letztlich immer das eine Bild zeigen, nämlich den vermeintlich nicht ernst genommenen Außenseiter, Taugenichts und mit einem absolut geringen Selbstwertgefühl ausgestatteten Narzissten, welcher ausschliesslich andere für sein Schicksal verantwortlich macht, aber niemals sich selbst? - Und der bedauerlicherweise Zugang zu Schusswaffen hat! Wie war es im übrigen möglich, dass der Täter am Vorabend des Massakers noch "Far Cry 2" auf seinem Rechner gespielt hat? Immerhin ein Spiel ohne Jugendfreigabe, welches der 17-jährige gar nicht hätte besitzen dürfen! Die Eltern haben auf der ganzen Linie versagt, handelten völlig verantwortungslos und tragen daher zumindest eine moralische Mitschuld an diesem Massaker! Warum der Vater überhaupt im Schlafzimmer eine Waffe deponiert hatte, scheint auf der Hand zu liegen und deckt ebenso fragwürdige Charakterzüge auf, denn eine Waffe im Schlafzimmer, am besten noch unter dem Kopfkissen, verrät eine Gesinnung, die es offenbar erlaubt, einem potentiellen Einbrecher für seine Tat unverzüglich mit dem Tode zu bestrafen, zumindest aber in guter Wild-West-Manier eine wilde Schießerei im heimischen Schlafzimmer zu veranstalten. Waffennarren waren mir schon immer suspekt und sie werden es bleiben. Das Märchen vom "Sportschützen", der im Verein einfach nur seiner Leidenschaft frönt und nichts böses im Schilde führt, endet leider viel zu oft mit einem schrecklichen Ende, denn wie in jedem Märchen gibt es in der Zugriffsweite dieser Waffen Gut und Böse: Für die einen ist es ein Sport- und für die anderen ein Mordwerkzeug!