Sonntag, 31. Mai 2009

Die Polen und die Schuldfrage

In Polen liegen die Nerven mal wieder blank. Kurz vor der Europawahl am 7. Juni, die ohnehin niemanden interessiert, hat es das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in der Ausgabe 21/2009 zumindest bei unseren östlichen Nachbarn geschafft, die Öffentlichkeit aus der Dämmerung zu reißen, in die sie gerade - in Vorbereitung auf das alljährliche Sommerloch - zu fallen drohte.
Auslöser war das Titel-Thema der Spiegel-Ausgabe: "Die Komplizen - Hitlers europäische Helfer beim Massenmord". Was der Geschichtsschreibung schon lange bekannt ist, denjenigen aber, die sich mit dem Thema Geschichte vorsichtshalber nur im Rahmen von überschaubaren Zeiträumen auseinandersetzen ("Was hatte ich gestern eigentlich zu Mittag?"), für die ist der Vorwurf, dass sich in den damals besetzten Ländern auch Einheimische nach Kräften bemüht haben könnten, eine zufrieden stellende "Endlösung" herbeizuführen, geradezu ungeheuerlich.
Infolgedessen gab es in Polen eine riesige Welle der Empörung, denn die Behauptung des Spiegel, der sich auf Aussagen von renommierten Historikern stützt, dass in den besetzten Ländern 200.000 Einheimische den Deutschen mal mehr, mal weniger freiwillig bei ihrem Mordgeschäft assistierten und auch Polen Juden direkt an die Gestapo verrieten, wiegt schwer; insbesondere dann, wenn man in einer Gesellschaft groß geworden ist, in der Gut und Böse fest verortet sind, nämlich in der Gestalt des bösen Deutschen und der guten Polen und Alliierten, was in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg zwar stimmt, aber bei vielen in kollektiver Idiotie zu der Annahme geführt hat, dass es bei den Guten einfach keine schlechte Menschen gegeben haben kann.
Aber es ist nicht nur die nicht so geschichtsbewanderte Masse, die da aufschreit, sondern auch Intellektuelle: So bezeichnete der polnische Historiker Antoni Dudek in der "Polska" den deutschen Artikel als einen "Skandal" und behauptete ferner, dass es sich "um eine bewusste Lüge handelt, wenn deutsche Journalisten solche Artikel schreiben."
Und um eine Anamnese über den Werdegang des in Polen weltbekannten Historikers Antoni Dudek anstellen zu können, braucht es dann auch nur diese eine Aussage. Dudek wurde 1966 geboren, ist also 43 Jahre alt und hat damit die prägende Zeit seiner Jugend und seiner Ausbildung noch in einem Land und Gesellschaftssystem verbracht, in dem es zwar um die Rede-, Reise- und Pressefreiheit nicht so gut bestellt war und die Versorgung mit Bananen und anderer Südfrüchte auch nicht so recht klappen wollte, welches dafür aber das Zurechtbiegen der Wahrheit, bis sie der eigenen Sichtweise entspricht, in Perfektion beherrschte.
So war auch das Massaker von Jedwabne, bei dem am 10. Juli 1941 die polnischen Einwohner der Stadt ihre jüdischen Nachbarn zusammentrieben und in einer Scheune verbrannten, jahrzehntelang den Deutschen in die Schuhe geschoben worden, bis irgendwann die Wahrheit ans Licht kam und die Beweislast so erdrückend wurde, dass die Polen zähneknirschend zugeben mussten, dass es Polen waren, die ihren Nachbarn das angetan hatten. Überraschenderweise sank gleichzeitig allerdings auch die Zahl der proklamierten Opfer des Massakers von 1600 auf "höchstens 200".
Im Juli 2001 kam es auf internationalem Druck in dem Ort zu einer "Gedenkveranstaltung", in dessen Folge einer der Initiatoren (der damalige Bürgermeister von Jedwabne) in die USA emigrierte, da ihm daheim nur noch blanker Hass entgegenschlug. In der Gedenkveranstaltung, einem Schmierentheater allererster Güte, verziehen die Täter ihren Opfern großzügig, dass es sie zu Mördern gemacht hatte.
Man könnte noch das Pogrom von Kielce aus dem Jahre 1946 aufzählen, bei dem einige Dutzend Juden nichts weiter wollten, als ihr Heim, aus welchem sie im Krieg vertrieben worden waren, wieder in Besitz zu nehmen. Dieses Ansinnen passte den neuen Eigentümern aber gar nicht, so dass man die Juden für dieses unverschämte Ansinnen erschlug. Als auch hier die Argumentation eng wurde, da die Deutschen als Täter ja nicht in Frage kamen, behauptete man rasch, die Schuldigen wären Juden gewesen, die gutmütige Polen aufgehetzt hätten, die Juden zu erschlagen, damit die Juden später Polen anklagen können - eine fantastische Story aus dem Gruselkabinett sozialistischer Geschichtsklitterung!
Es gibt genug Fakten aus allen damals besetzten Ländern, die den Spiegel-Artikel eindrucksvoll untermauern. Aber das gilt nur für die reale Welt. In der postsozialistischen Einheitstraumwelt eines Betonkopf-Historikers wie Dudek, bleibt all das Lüge, denn die Partei, die hat bekanntlich immer Recht!

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